Nationalmannschaft

Am 26. September 2000 traf ich das erste Mal auf meinen späteren Mannschaftskollegen Tranquillo Barnetta. Wir trennten uns 1:1 in meinem ersten Länderspiel für Deutschland.
Von der U14 bis zur U21 durchlief ich alle Nationalteams. Eine wahnsinnig gute Sache, schon in so jungen Jahren internationale Erfahrung bei Länderspielen und Turnieren machen zu können. Ich konnte mich also schon in der Jugend mit jetzigen Weltklassefußballern wie Messi, Torres, Rooney, oder Christiano Ronaldo messen. Lionell Messi zeigte zum Beispiel schon damals seine außergewöhnliche Klasse, als er mir mit einem Präzisionsschuss bei der U20 WM die Nase brach. Danke Lionell – das Tor habe ich verhindert, die Nase verheilte wieder und noch bis heute habe ich dir gegenüber eine weiße Weste.
Leider blieben viele meiner Wegbegleiter aus Jugendnationalmannschaftszeiten auf dem langen Weg hin zur A-Nationalmannschaft auf der Strecke. Doch Kollegen wie zum Beispiel Mario Gomez, Lukas Podolski, oder Marcell Jansen waren ebenfalls über die Jahre hinweg dabei. Ein nicht ganz uneigennütziger Vorteil – denn so kannte ich wenigstens schon den einen oder anderen persönlich, also ich in die A-Mannschaft aufrücken durfte.
Nach der überraschenden Nominierung für die EM 2008 und dem danach vollzogenem Umbruch im Team, war es mein Ziel als Nummer 1 für Deutschland zu spielen. Zurückblickend war die EM 2008 eine Wahnsinnserfahrung, denn als Nummer 3 konnte man den ganzen Trubel ohne großen Druck kennenlernen. Und zugegeben, ohne den Druck fällt es einfacher, eine solche Erfahrung zu genießen. Doch es war wie immer – hat man einmal Blut geleckt, will man mehr. Im Dreikampf gegen Robert Enke und Manuel Neuer hatte jedoch Robert als ältester die Nase vorn.
Da erscheint es im Hinblick auf den weiteren Verlauf meiner Karriere irgendwie bizarr, dass es ausgerechnet eine Verletzung von Robert war, die mich mein erstes A-Nationalmannschaftsspiel machen ließ.
Im WM-Qualifikationsspiel gegen Russland machte ich am 11. Oktober 2008 im Signal Iduna Park mein erstes A-Länderspiel. Oh Mann war ich aufgeregt. Doch ich habe mir vorgenommen, das Spiel in vollen Zügen zu genießen – man wusste ja schließlich nicht, wie viele Länderspiele folgen würden. Nach 90 Minuten knallharter Konzentration war der Abpfiff wohl der schönste Moment meines Nationalmannschaftsdebüts. Denn in diesem Moment wurde mir klar, dass es ganz ordentlich gelaufen ist. Wir gewannen 2:1 und medial wurde ich durch meine Leistung zur zukünftigen Nummer 1 gemacht. Ich wollte mehr davon und ich bekam mehr davon.
Das Rückspiel in Russland war das größte und wichtigste Spiel meines Lebens. Der Druck war enorm, denn mit einem Sieg wären wir für Südafrika qualifiziert gewesen. Mit einer Niederlage wäre die WM aber in weite Ferne gerückt. Ganz Deutschland schaute auf uns! Mit einem 1:0 Sieg vor 80 000 Zuschauern konnten wir in Moskau das WM-Ticket lösen. Von den ganzen Zuschauern habe ich rein gar nichts mitbekommen. Ich war mehr im Tunnel denn je und ich spürte irgendwie, dass ich an diesem Tag nicht hinter mich greifen werde. Es sollte das Spiel werden, an welches ich am aller Liebsten zurückdenke.
Im März 2010 wurde ich dann vom Trainerteam zur Deutschen Nummer 1 für die WM in Südafrika benannt.
So viel, wie von den Medien im Vorfeld geschrieben wurde, fiel es schwer die Spekulationen von einem fernzuhalten. Doch ich versuchte es so gut es ging, schließlich wollte ich ja nicht noch enttäuschter sein, falls es doch nicht klappt. Doch dann der Anruf. Andreas Köpke sagte mir, dass sie sich für mich entschieden haben. Ich freute mich riesig. Und schon im nächsten Moment kam die Aufregung. Sei es drum, mit der habe ich gelernt umzugehen. Das war immerhin der beste Anruf, den sich ein Torwart vorstellen kann und der Lohn für viele Jahre hartes Training. Ich dachte mir: „Wie viele Kindheitsträume kann man sich eigentlich noch erfüllen?!“ Falsch gedacht.
Ich wurde oft gefragt, was der größte Unterschied ist, wenn man als Deutschlands Nummer 1 feststeht. Jetzt kann ich sagen, es ist immer schwieriger eine Position zu verteidigen, als auf sie Druck auszuüben.
Eine schwere Rippenverletzung kurze Zeit später ließ mich die WM am 4. Mai absagen – die bisher schwierigste und ernüchterndste Entscheidung meiner Karriere. Es war sehr tragisch aber in Absprache mit den Ärzten war klar: Wenn ich irgendwann wieder spielen will, gab es keinen anderen Weg.
Nach der WM machte ich noch mein 10. und vorerst letztes Länderspiel – doch die Tragweite der verpassten WM wurde Stück für Stück sichtbar. Manuel Neuer erspielte sich durch gute Leistung die Nummer 1 im deutschen Tor, während ich durch die schwerste Phase meiner Karriere und meines Lebens ging. Ständige Verletzungen trieben mich an den Rand des Abschieds vom Profifußball.
Wo ist die Schnelllebigkeit dieses Geschäfts, wenn man sie mal braucht?! Nein. Gut Ding will Weile haben. Es dauerte 2 Jahre, um durch dieses Tal zu gehen, doch es hat sich gelohnt!
Am 14. November 2012 konnte ich endlich in den Kader der deutschen Nationalmannschaft zurückkehren und heute, am 06. Februar 2013 werde ich wieder im Tor der Deutschen Fußball Nationalmannschaft stehen.